Legal Tech und Anwälte Vom freien Beruf zum Robo-Lawyer?

Fresko im »Arte Luise Kunsthotel«, Berlin

Der RWS Verlag war einer der Kooperationspartner der »Legal Transformation Days 2017«, einer Veranstaltung, die sich intensiv mit den kommenden Veränderungen im Markt der anwaltlichen Beratung beschäftigte. Als Verleger des RWS Verlags habe ich an dieser Konferenz teilgenommen und in diesem Beitrag meine Eindrücke festgehalten.

Seitdem 2017 zum Jahr des »Legal Tech« ausgerufen wurde, beschäftigt sich eine spürbar größer werdende Anzahl von Anwälten mit dem Phänomen der Digitalisierung. Dabei sind Anwälte mit technischen Lösungen schon lange vertraut: Kanzleisoftware, moderne Kommunikationsformen, Spracherkennung und digitale Ablagesysteme, juristische Datenbanken spielen in vielen Büros seit Jahren eine selbstverständliche Rolle.

Die Digitalisierung, d.h. die Veränderung von Arbeitsabläufen durch die zunehmende Nutzung digitaler Geräte und neuen Informations- und Kommunikationstechniken, scheint aber die bisherigen Geschäftsmodelle in manchen Teilen der Anwaltschaft ins Wanken gebracht zu haben. Vor allem in angelsächsischen Ländern lässt sich beobachten, dass anwaltliche Dienstleistungen als Produkt behandelt werden, das den Gesetzmäßigkeiten des Marktes gehorcht und zu Festpreisen oder in bestimmten »Ausstattungspaketen« gebucht werden kann. Die Mandanten, so heißt es in diesen Ländern, seien spätestens seit der Finanzkrise preisbewusster geworden. Dies wiederum habe Law Firms veranlasst, Organisationsstrukturen und Geschäftsmodelle zu verändern und in deren Folge auch über Arbeitsprozesse nachzudenken und diese effizienter zu gestalten.

Man durfte also gespannt sein, was die »Legal Transformation Days 2017«, veranstaltet von Handelsblatt Fachmedien, an neuen Erkenntnissen liefern und wie die besonderen deutschen Verhältnisse hier berücksichtigt würden.

Cord Brügmann, Hauptgeschäftsführer des DAV, beschäftigt sich beruflich mit der Zukunft der Rechtsberatung. Auf der Veranstaltung wagte er einen Blick in das Jahr 2030. Er prognostizierte neue Kanzleitypen (börsennotiert) mit Spezialisierung auf Zielgruppen (zum Beispiel best ager) und die Etablierung neuer Beratungsformen (telefonisch, online, per Chat Bots). Alles weite Zukunft? Nein, es ist gelebte Realität, wie der Blick nach Großbritannien, Irland und den USA zeige.

Als Faktoren für diese Entwicklung benannte er:

  • Zunahme des Wettbewerbsdrucks. Vor allem in Feldern mit Überkapazitäten, wie etwa im Verbraucherrecht, sinke die Vergütung.
  • Schrumpfen des Wissensmonopols der Anwälte. Juristisches Know-how im Internet verändere die Anforderungen an die Kundenansprache, Akquisition und Beratung.
  • Veränderung durch Digitalisierung. Der technologische Wandel (Legal Tech) ändere Arbeitsprozesse und die Marktsituation für Anwälte. Neue Anbieter verlagern standardisierbare Leistungen der Beratung ins Internet und es vollzöge sich ein Wandel vom Anbieter- zum Käufermarkt.

Brügmann präsentierte den Teilnehmern eine anschauliche Zusammenstellung der Marktbedingungen und -entwicklungen und damit eine gelungene Grundlage für die weiteren Vorträge.

Deutlich wurde im Beitrag von Michele DeStefano von der University of Miami, wie weit auf dem US-amerikanischen Markt die Entwicklungen fortgeschritten sind. Aus ihrer Sicht haben Anwälte dort drei Herausforderungen zu meistern: Neue Technologien, veränderte sozioökonomische Voraussetzungen und Globalisierung. Legal Tech unterstütze den Anwalt und mache seine Dienstleistung preiswerter. Sie wies – wie Brügmann – auf die Bedrohung der klassischen Anwälte durch alternative Rechtsdienstleister hin, die in einfach gelagerten Fällen das Geschäft nähmen. Wissen allein sei kein Garant für den Erfolg, sondern »nur« die Grundlage für ein auf Zusammenarbeit ausgerichtetes, problemorientiertes Arbeiten bei einem hohen Maß von Innovationsbereitschaft.

Die beiden Vorträge von Brügmann und DeStefano aus unterschiedlichen Kulturen machten eines aus meiner Sicht deutlich: An erster Stelle aller Überlegungen steht das Überdenken des bisherigen Geschäftsmodells und der eigenen Organisationsform. Die Marktanalyse kann je nach Spezialisierung ganz unterschiedlich ausfallen. Erst daraus ergibt sich der weitere Weg für bessere Arbeitsabläufe und damit verbundene technische Lösungen, die helfen sollen, Rechtsberatung modern zu erbringen.

Marie Bernard von Nextlawlabs und Hariolf Wenzler, Chief Strategic Officer bei Baker & McKenzie gehören zu den unaufgeregten Branchenvertretern, die sich mit der Thematik »technische Lösungen im Rechtsbereich« beschäftigen. Ihre Darlegungen kamen nahezu gänzlich ohne Schlagworte aus und konzentrierten sich auf organisatorische Veränderungen innerhalb der Kanzleien, die ermöglichen, auf Marktveränderungen zu reagieren. Rechts-Techniker, Rechts-Manager und Paralegals werden das Personal ergänzen und eine wichtige Rolle in der Organisationsstruktur einnehmen. Das verbreitert das Dienstleistungsspektrum um die Kreise, die in den Markt hineindrängen und binden diese zugleich in eine ganzheitlich verstandene Wachstumsstrategie ein. Investitionsbereitschaft spiele ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie müsse die aktive und regelmäßige Auseinandersetzung mit den modernen Gegebenheiten ermöglichen und nicht nur zu einem mitlaufenden Thema im Alltag werden, das regelmäßig durch »wichtiges Tagesgeschäft« verdrängt werde.

Verglichen mit durchschnittlichen Kanzleien scheint die Bereitschaft bei den Law Firms in diese Veränderungsprozesse kräftig zu investieren vorhanden, verglichen mit den »Big Four« der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften aber immer noch verschwindend wenig.

Wird der »freie Anwalt« in dieser neuen Welt weiter existieren? Nach meinem Eindruck, ja, auch nach diesem intensiven ersten Vormittag der Veranstaltung. Versteht die Anwaltschaft die technischen Lösungen im Rechtsbereich als Assistenzsysteme für ein Arbeiten in einer veränderten, weiter spezialisierten Beratungswelt? Corporate Design ist dabei ein wichtiges Instrument des Marketings ist und so wie sich diese neue Beratungswelt mit den modernen Umgebungen zu vernetzen weiß, werden die modernen Anwälte Freiräume zur Beratung, Gestaltung und Kreierung zu nutzen wissen. Künstliche Intelligenz in Programmen, so mein Eindruck, kann die Vertrauensbeziehung zum Mandanten nicht ersetzen und – absehbar – keine komplexen, menschengerechten Lösungen »erdenken«.

Nach diesen Eingangsvorträgen wurde in zwei intensiven Tagen ein beachtliches Spektrum an technischen Lösungmöglichkeiten und Arbeitstechniken vorgestellt, ehe der frühere Google Creative Evangelist Jeremy Tai Abbett in seinem Abschlussvortrag etwas allgemein plädierte: » Inspire. Create. Innovate.«

Transformation und Transzendenz, manchmal liegt das alles ganz nah.

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