Reha für Kliniken in Not Ein Beitrag von Dr. Christian Kaufmann

Sanierung von Krankenhäusern in der Insolvenz
Bild: Fotolia

Die wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser in Deutschland ist nach wie vor schlecht. Zwar hat sich die Lage gegenüber dem Vorjahr etwas verbessert. Nach dem unlängst erschienen Krankenhaus Rating Report 2016 des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsförderung (RWI) schreiben jedoch 23 % der 870 untersuchten deutschen Krankenhäuser weiterhin rote Zahlen. Immer noch 11 % weisen eine erhöhte Insolvenzgefahr auf. Dabei geht es den Krankenhäusern im Westen schlechter als den Kliniken im Osten. Besonders betroffen sind die Bundesländer Bremen, Niedersachsen, Hessen und Baden-Württemberg.

Die Gründe für diese dramatische Situation liegen in dem extensiven Verdrängungswettbewerb aufgrund der bestehenden Überkapazitäten auf dem deutschen Krankenhausmarkt bei gleichzeitig gestiegenem Kostendruck durch das aktuelle System der Krankenhausfinanzierung.

Der extensive Verdrängungswettbewerb zeigt sich nicht nur darin, dass trotz einer sinkenden Anzahl von Krankenhäusern – die Zahl hat sich seit dem Jahr 2000 bis zum Jahr 2015 um 286 Kliniken bzw. um 12,76 % auf noch 1956 Kliniken verringert – die Bettenzahl und -auslastung in den letzten Jahren jeweils nahezu konstant geblieben ist. Es ist also trotz einer erheblichen Reduzierung von Krankenhäusern zu keiner Verringerung der Bettenanzahl zugunsten einer höheren Bettenauslastung gekommen. Und dies, obwohl die Fallzahlen seit 2006 deutlich angestiegen sind (bei allerdings gleichzeitig deutlich zurückgegangenen durchschnittlichen Verweildauern der Patienten). Vielmehr ist es zu einer spürbaren Marktkonsolidierung gekommen, bei dem wirtschaftlich effiziente Krankenhäuser zusätzliche Kapazitäten aufgebaut haben und somit in einem schrumpfenden Markt wachsen konnten.

Ein intensiver Wettbewerb besteht auch beim Personal aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels. Dies führt insbesondere bei Kliniken im ländlichen Bereich zu erhöhten Personalkosten, da hier besonders oft auch – teurere – Honorarärzte eingesetzt werden müssen. Dieses Problem wird sich angesichts einer zu erwartenden Zunahme von Behandlungen bis zum Jahr 2030 um 18 % weiter verschärfen.

Die beschriebene Marktkonsolidierung ist unmittelbare Folge des aktuellen Systems der Krankenhausfinanzierung in Deutschland – insbesondere der Einführung des DRG-Systems (Diagnosis Related Groups-System) im Jahr 2003 zur Finanzierung der Betriebskosten. Diese hat zu einer Kosten-Erlös-Schere bei den deutschen Krankenhäusern geführt.

Denn während die Kostenseite marktwirtschaftlichen Bedingungen unterliegt, wird die Einnahmesituation durch eine starre Finanzierung der Betriebskosten auf Basis von Fallpauschalen und Jahresbudgets bestimmt, die die Kostensteigerung nicht vollumfänglich berücksichtigt. Während die Kosten je Behandlungsfall in den Jahren 2005 bis 2012 jährlich um 2,4 % gestiegen sind, sind die einzelnen Landesbasisfallwerte der Bundesländer jährlich nur um 1 % gewachsen. Damit erwirtschaften nur die Krankenhäuser auskömmliche Erträge, denen es gelingt, effizienter als die Normalkalkulation zu arbeiten.

Da diese Normalkalkulation keinerlei Finanzierungskosten beinhaltet, fehlt den weniger effizienten Kliniken zudem jeder Spielraum für Fremdfinanzierungen. Dies ist insoweit problematisch, als die nach dem in Deutschland geltenden dualen System der Krankenhausfinanzierung für die Finanzierung der Investitionen bei im Krankenhausplan aufgenommenen Häusern in öffentlicher Trägerschaft zuständigen Bundesländer in den letzten 25 Jahren die Investitionen in den Krankenhausbereich beständig zurückgefahren haben – zwischen den Jahren 1991 und 2011 um 25 %; mittlerweile beträgt der Investitionsstau laut Krankenhaus Rating Report 2016 stolze 27,8 Mrd. Euro. Dies führt bei weniger effizient arbeitenden Krankenhäusern mithin dazu, dass diese notwendige Maßnahmen zur Effizienzverbesserung mangels entsprechender Finanzmittel nicht ergreifen können, und somit weiter ins Hintertreffen geraten.

Damit sind von der Entwicklung besonders betroffen viele kommunale oder freigemeinnützige Krankenhäuser insbesondere der Grundversorgung, vor allem im ländlichen Bereich. Hier existieren oftmals in unmittelbarer Nähe verschiedene kleinere Einheiten („Jedem Kommunalpolitiker sein Krankenhaus“) ohne besondere Spezialisierung, die zum einen aufgrund von Mindestbesetzungsvorschriften hohe Personalkosten haben und besonders oft auch auf – teurere – Honorarärzte zurückgreifen müssen, um überhaupt das erforderliche Personal stellen zu können. Hinzukommt, dass diese Häuser in der Regel keine Synergieeffekte durch Kooperationen mit anderen Krankenhäusern im Primär-, Sekundär- und Tertiärbereich – etwa durch Zentralisierung von medizinischen Leistungen an einzelnen Standorten, Nutzung von Einkaufsgemeinschaften oder Zusammenlegung von Laborkapazitäten – nutzen können. Gleichzeitig fehlen insbesondere hier oftmals die notwendigen finanziellen Mittel, um notwendige Strukturanpassungs- und Effizienzverbesserungsmaßnahmen vorzunehmen. Hinzukommen bei diesen Krankenhäusern Probleme im Bereich der Corporate Governance. Oftmals sind die dortigen Gesellschafter- oder Aufsichtsgremien mit einer hohen Anzahl von ehrenamtlichen Mitgliedern besetzt, die jedoch nicht über die notwendige Qualifikation, Unabhängigkeit und Entscheidungsfähigkeit verfügen, um die erforderlichen Maßnahmen zur Abwendung von Krisen zu ergreifen.

Gerade für diese Häuser bietet sich eine Sanierung im Insolvenzverfahren mittels Insolvenzplan und Eigenverwaltung mit dem Ziel eines Erhalts des Rechtsträgers an.

Denn das Insolvenzrecht bietet zahlreiche Sanierungsinstrumente, die es außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht gibt, und die es selbst Unternehmen mit geringer vorhandener Liquidität ermöglichen, sich zu sanieren.

Zu nennen sind zum einen die Regelungen über das Insolvenzgeld. Hier werden die Personalkosten für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten von der Bundesagentur für Arbeit getragen, was dem Unternehmen finanzielle Spielräume für die Umsetzung von Effizienzverbesserungsmaßnahmen gibt. Je mehr Personal das Krankenhaus beschäftigt, umso höher  ist der Effekt.

Personalanpassungsmaßnahmen sind durch eine Verkürzung der Kündigungsfristen auf maximal drei Monate und eine doppelte Deckelungen der Sozialplankosten – zum einen auf 2,5-Monatverdienste pro Mitarbeiter, und zum anderen auf maximal ein Drittel der zur Verteilung an die Gläubiger zur Verfügung stehenden Masse – leichter möglich als außerhalb einer Insolvenz, wo zum Teil deutlich längere Kündigungsfristen und hohe Abfindungen aufgrund bestehender Tarifverträge zu beachten sind.

Und auch bei anderen Verträgen wie langfristigen Miet- oder Bezugsverträgen ist eine kurzfristige Kündigung mit einer Frist von drei Monaten möglich. Dabei können die Sanierungsmaßnahmen auch gegen den Willen einzelner Gläubiger(gruppen) oder Gesellschafter(gruppen) in einem Insolvenzplan durchgesetzt werden, was gerade die Schließung unprofitabler (Teil-)Standorte oder Stationen auf diesem Weg gut ermöglicht.

Dabei steuert bei einer Eigenverwaltung die bisherige Geschäftsführung den Betrieb mit Unterstützung insolvenzerprobter Sanierungsexperten durch die Krise; ein gerichtlich bestellter Sachwalter überwacht das Verfahren. Die Eigenverwaltung verbindet damit das bestehende Know-how in einem Krankenhaus mit der Expertise erfahrener Sanierer.

In der jüngeren Vergangenheit haben daher bereits einige Krankenhäuser diesen Weg einer Sanierung im Wege der Eigenverwaltung erfolgreich gewählt – etwa das KOL Klinikum Osnabrücker Land GmbH in Dissen, die AWO Gesundheitsdienste GmbH in Hann. Münden, der Südhessische Klinikverbund im Kreis Bergstrasse oder das Dominikus-Krankenhaus Düsseldorf-Heerdt GmbH in Düsseldorf.

Es ist absehbar, dass auch weitere Krankenhäuser diesen Weg gehen werden, um sich für die Zukunft wieder gut aufzustellen. Angesichts der vielen Vorteile dürfte die Eigenverwaltung schon bald zum Standardvokabular vieler Krankenhausmanager zählen.

Autor

KaufmannDr. Christian Kaufmann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, ist Partner und Geschäftsführer der PLUTA Rechtsanwalts GmbH und Leiter der Niederlassungen in Bremen und Oldenburg. Er wird regelmäßig von mehreren Insolvenzgerichten in Bremen und Niedersachsen zum Insolvenzverwalter bestellt. Daneben berät er Unternehmen im Rahmen von Eigenverwaltungen inklusive der Übernahme von Sanierungsgeschäftsführungen in Eigenverwaltungsverfahren. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Beratung von Gläubigern im Insolvenzverfahren sowie die insolvenzrechtliche Restrukturierungsberatung.

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