Ein neuer Markt entsteht Nicht anwaltliche Rechtsdienstleister, eine neue Kundengruppe für Verlage und Handel?

© Nina Herold, Mesched reloaded (2014)

Ein neuer Markt entsteht. Nichtanwaltliche Rechtsdienstleister bedrohen das anwaltliche Beratungsmonopol. Spielen diese Unternehmen für Verlage und Handel überhaupt eine Rolle? Ist ihre Existenz durch den Widerstand der Standesorganisationen bedroht? Oder hilft der Gesetzgeber?

Die alte Welt der Anwälte

Bis vor einigen Jahren gab es im Rechtsstaat überschaubare Wege zum Recht zu kommen. Man ging zum Anwalt.

Aber seit geraumer Zeit ist der festgefügte Markt der Rechtsdienstleistungen vielfältiger geworden und in Bereiche vorgedrungen, die bislang allein Rechtsanwälten vorbehalten waren.

Der prominenteste nichtanwaltliche Rechtsdienstleister – freilich nicht der einzige – ist das Legal Tech-Unternehmen flightright, das Verbrauchern bei der Geltendmachung von Entschädigung für Flugverspätungen und -ausfällen hilft.

Die Durchsetzung solcher Ansprüche ist in der Praxis mühsam, wurde aber von den Legal Techs mit innovativer Software standardisiert. Nur im Erfolgsfall schuldet der Kunde eine Provision.

Weitere Dienstleister haben sich etabliert zum Beispiel im Mietrecht (»Weniger Miete«) oder Versicherungsrecht die bei der Kündigung von Lebensversicherungen helfen.

Durch diese Unternehmen ist ein Markt ist entstanden, der von den Anwälten nicht (mehr) bedient worden ist. flightright und Co ist es gelungen, streitige Verfahren weitestgehend zu automatisieren und kosteneffizient zu bearbeiten.

Die anwaltliche Welt wäre einigermaßen in den Fugen geblieben, wenn es dabei geblieben wäre. Die Legal Tech-Unternehmen begaben sich schließlich auf das Gebiet der Prozessverfahren und übernahmen für eine Vielzahl von Personen erhebliche Schadensersatzansprüche z.B. gegen Automobilhersteller (»Schummeldiesel«), kümmerten sich um die Profiprozessfinanzierung und gaben die Fälle an spezialisierte Anwaltskanzleien weiter. Auch hier speist sich das Geschäftsmodell aus den erheblichen Synergie- und Effizienzvorteilen.

Damit drangen sie in lukrative Kernmärkte der Anwälte und berühren das anwaltliche Beratungsmonopol. Das regte den Widerstand der anwaltlichen Interessensorganisationen.

Aus Sicht der Verlage und des Handels stellt sich die Frage: Haben diese nicht anwaltlichen Rechtsdienstleister Zukunft und wenn ja, wächst mit ihnen eine verlässliche neue Kundengruppe heran?

Die neue Welt, in der Recht zur Dienstleitung wird

Der Gesetzgeber hat erkannt, dass es im Rechtsschutzsystem offenbar eine Lücke gibt und sich viele kleinteilige Verbraucheransprüche (Reisekostenerstattungen, Kündigungen) im traditionellen Rechtssystem nicht mehr angemessen zeitgemäß und kostengünstig durchsetzen lassen. Bei Großschäden, wie etwa manipulierten Kraftfahrzeugen ist die klassische traditionelle streitige Auseinandersetzung mit einem hohen Risiko für den Einzelnen verbunden, was letztlich zum Ausschluss vieler Klagen führt, zu Lasten der Verbraucher, zur Freude der Unternehmen.

Die Standesvertretungen der Anwälte betrachten die neuen Rechtsdienstleistungsunternehmen und ihre Angebote als illegale Konkurrenz, weil es unterhalb der Anwaltschaft keine Rechtsberatung geben dürfe.

Der Gesetzgeber hat zum Glück die Perspektive der Verbraucher eingenommen und will den aus der Balance geraten Rechtsdienstleistungsmarkt wieder ins Lot bringen, auch wenn dies mit Änderungen im anwaltlichen Berufsrecht verbunden ist. Selbst wenn die Änderung in dieser Legislaturperiode nicht Wirklichkeit werden, kann man erwarten, dass sich der Rechtsdienstleistungsmarkt erheblich erweitern wird und sich nichtanwaltliche Anbieter etablieren werden. Das ist zunächst einmal gut für Verlage und den Handel.

Neue Mitspieler im Markt der Rechtsberatung und neue Fachinformationsangebote
Das Geschäftsmodell der Rechtsdienstleister lässt nicht erwarten, dass alle anwaltlichen Beratungsfelder bedroht werden. Es wird weiterhin viele Einzelfälle geben, in denen sich Sachverhalte nicht standardisieren lassen und eine persönliche Beratung erforderlich sein wird. Das klassische Fachpublikum wird für Verlage und Buchhandel erhalten bleiben.

Der Gesetzgeber wird einen rechtssicheren Rahmen für nicht anwaltliche Dienstleister schaffen, für die Fachinformationsangebote entstehen werden. Verlage werden ihre Werke so anbieten können, dass diese in Legal Tech-Programme über definierte Schnittstellen einfließen können.

Der Handel wird seine vielfältigen Fachkunden über alle denkbaren Angebotsformen informieren und Lösungen anbieten müssen.

Und es wird auch Folgeentwicklungen geben: Auch Fachleser schätzen den Komfort des einfachen Zugangs zum Recht. Das zeigt sich in nachgefragten Zusatzangeboten etwa Vertragsmusterbücher, in denen sich Verträge mithilfe von intelligenten Eingabemasken rechtssicher gestalten lassen. Und ich bin sicher, die neuen Kundengruppen werden Verlage und Handel zu neuen Angeboten herausfordern.

 

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