Das neue Gesetz zur Konzerninsolvenz: Kooperation statt Konfrontation! Ein Beitrag von Prof. Dr. Christoph Thole

Am 21.04.2017 ist das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen in Kraft getreten. Endlich, muss man sagen, denn das Gesetz lag lange auf Eis. Bereits 2014 wurde der Regierungsentwurf eingebracht und in erster Lesung im Bundestag beraten. Danach ist das Gesetz in den politischen Mühlen steckengeblieben. Nunmehr hat ganz unverhofft der Gesetzgeber doch noch Hand angelegt und das Gesetz verabschiedet.

Er folgt damit dem Regelungskonzept der Europäischen Insolvenzverordnung, in der mit Wirkung zum 26.06.2017 auch erstmals Regelungen zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen und zur Insolvenz von Unternehmensgruppen in die europäische Verordnung eingefügt werden. Diese Regelungen auf europäischer Ebene gehen weitgehend auf eine deutsche Initiative zurück, doch während der europäische Gesetzgeber schnell zum Ergebnis kam, hat es in Deutschland dann doch gedauert. Das neue deutsche Gesetz beinhaltet insofern vergleichbare Regelungen auf rein nationaler Ebene.

Es ist ein erster Schritt in Richtung einer besseren Koordinierung von Insolvenzverfahren bei konzernangehörigen Unternehmen. Es bleibt auch weiterhin dabei, dass verschiedene Verfahren über die einzelnen Konzerngesellschaften geführt werden und der Insolvenzrichter auch jeweils einen eigenen Aktendeckel anlegen muss. Dennoch wird versucht, die Verfahren auf einem weichen Wege zu koordinieren, indem bestimmte Kooperationspflichten vorgesehen werden und insbesondere die Idee eines Verfahrenskoordinators zur Blüte gebracht wird. Danach soll in dem Gruppen-Koordinationsverfahren ein Verfahrenskoordinator die Fäden in der Hand halten und auf eine abgestimmte Abwicklung in den jeweiligen Einzelverfahren drängen.

Das kann auch über die Vorlage eines Koordinationsplans geschehen, der für die einzelnen Verfahren nicht verbindlich ist, aber indirekt Druck erzeugen soll, indem die Einzelverwalter sich damit auseinandersetzen und Abweichungen begründen müssen. Jeder Einzelverwalter eines gruppenangehörigen Unternehmens muss sich daher künftig nicht nur mit der Möglichkeit eines Insolvenzplans für sein eigenes Verfahren, sondern auch mit den Fragen des abgestimmten Koordinationsplans in Bezug auf sämtliche insolventen Gruppenmitglieder auseinandersetzen. Mit diesen Mechanismen soll erreicht werden, dass die Konzernunternehmen in ihren jeweiligen Insolvenzverfahren nicht gegeneinander arbeiten und eine sinnvolle Konzernverwertungsstrategie torpedieren mit der Folge, dass letztlich alle Gläubiger schlechter dastehen als bei abgestimmter Abwicklung.

Bemerkenswert ist, dass das deutsche Gesetz anders als die EuInsVO eine Verfahrenskonzentration an einem Gruppen-Gerichtsstand zulässt, und insoweit jedes Gruppennunternehmen, das nicht nur von untergeordneter Bedeutung für die Gruppe ist, nach dem Prioritätsprinzip einen Antrag auf Konzentration an „seinem“ Insolvenzgericht stellen kann. Wohlgemerkt kann dies stets nur für deutsche Gesellschaften gelten, während die im europäischen Ausland befindlichen Konzerngesellschaften nur dann in Deutschland das Insolvenzverfahren durchführen dürfen, wenn hier ihr Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen gelegen ist.

Ob das neue Gesetz wirklich ein Meilenstein ist, bleibt abzuwarten und mag mit Fug bezweifelt werden. Der Teufel liegt im Detail, und Koordination und Kooperation klingen gut, müssen aber auch gelebt werden. Immerhin schafft das Gesetz trotz mancher Unklarheiten doch einen mit Recht zunächst vorsichtigen Einstieg in das Minenfeld der Konzerninsolvenz. Man muss beachten, dass man eine Unternehmensgruppe, die in vielfältigen Formen daherkommen kann,  schlechterdings nicht über einen Leisten schlagen und alles in einen Topf werfen kann, weil dann die berechtigten Gläubigerinteressen zurückgesetzt würden. Insofern ist eine weiche Koordinierung sicherlich ein tauglicher Ansatz, der aber gerade deshalb, weil er so weich wirkt und keine wirklich harten Bindungen zwischen den einzelnen Verfahren über die konzernangehörigen Unternehmen kennt, in seiner Tauglichkeit beschränkt ist.

Letztlich ist es wie immer eine Frage der Erwartungshaltung. Wer vom neuen Konzerninsolvenzrecht Wunderdinge erwartet, wird enttäuscht werden. Wer es als Einstieg in eine bessere Abstimmung konzernangehöriger Verfahren sehen möchte, mag in den neuen Regelungen einen ersten wichtigen Schritt erkennen. Insgesamt bleibt, dass der Gesetzgeber sich einer neuen Materie angenommen hat und dies schon deshalb begrüßenswert ist, weil das Konzerninsolvenzrecht als höchst schwierige Materie bisher ein blinder Fleck auf der Landkarte des deutschen Insolvenzrechts war. Mit Recht rüttelt das Gesetz nicht an dem Grundsatz, dass die rechtliche Selbständigkeit der Konzerngesellschaften gewahrt bleiben muss (keine sog. substantive consolidation), aber es weist doch den Weg in eine bessere Abstimmung.

Erneut: Man darf sich allerdings nichts vormachen. Letztlich kommt es doch immer darauf an, wie die handelnden Personen gewillt sind, aufeinander zuzugehen und miteinander zu kooperieren. Ohne den Willen zur Kooperation gibt es keine Kooperation. Wenn die einzelnen Verwalter nicht mitspielen oder wenn es sonstige Hindernisse in der Zusammenarbeit der einzelnen Verfahren gibt, dann kann auch der deutsche Gesetzgeber daran wenig ändern, solange er nicht, was grob verfehlt wäre, die Vermögensmassen zu einer Mélange zusammenwirft.

Autor

Prof. Dr. Christoph Thole, Dipl.-Kfm., ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Internationales und Europäisches Insolvenzrecht und des Instituts für Verfahrensrecht und Insolvenzrecht an der Universität zu Köln. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen mit Schwerpunkt im deutschen und internationalen Restrukturierungsrecht. U.a. ist er Autor im Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung sowie Mitherausgeber des Heidelberger Kommentars und des Handbuchs Insolvenzplan.

Im Inso-Kommentar Kübler/Prütting/Bork erscheint in Kürze seine Kommentierung des neuen Konzerninsolvenzrechts (72. Lfg. im Juni 2017).

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